Rückblickend betrachtet durfte ich bis vor ca. eineinhalb Jahren behaupten, die größte Problemzone meines Lebens ist die Liebe. Dabei war ich doch in einer Beziehung, die jedoch nur mehr schlecht als recht vor sich hin dümpelte. Bis mir die Augen aufgingen, in Person eines Herren S., mit dem ich jetzt (auch schon wieder ein Jahr) sehr glücklich bin.

Nicht dass ich nach einer neuen Liebe gesucht hätte. So eingefahren in meine zur Gewohnheit gewordenen (10-jährigen Fern-)Beziehung waren die Treffen zuerst reiner Spaß, eine echte Gaudi, eine wunderbare, erholsame Abwechslung, auf die ich mich jedes Mal mehr freute.

Auf einmal war das Gefühl da, dass da mehr ist, zwischen uns. Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich verliebt bin, in den Kerl, mit dem ich nächtelang gequatscht und auch mal ein Bier zuviel über den Durst getrunken hab. Aber nicht verliebt sein durfte. Wusste ich doch nicht, was er fühlt, denkt, und hat doch jemand anderer behauptet, wichtig in meinem Leben zu sein.

Und nach endlos vielen Flirts, bei denen sich niemand traute, die Grenze zu überschreiten, ist es dann doch passiert – der erste Kuss.

Ein berauschendes Glücksgefühl hat sich vom Kopf bis in die Zehen ausgebreitet, ich war einfach nur glücklich und perplex, auch ein bisschen unsicher und glücklich, unendlich glücklich. Muss gestrahlt haben wie ein frisch polierter Euro. Dann – ein kurzer Gedanke der Ernüchterung „und jetzt?“…

Langer Rede kurzer Sinn: die „alte“ Beziehung wurde – übrigens „vollkommen überraschend“ – für den Anderen beendet (Männer sind grundsätzlich von allem überrascht, solange es nicht auf den Sportseiten ihrer Lieblingsillustrierten steht; Anzeichen eines sich anbahnenden Problems werden niemals zur Kenntnis genommen) und in der neuen Beziehung läuft alles bestens.

Diese Entscheidung hat mein gesamtes Leben umgekrempelt, wenig blieb unverändert, und das ist gut so.